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Lerntherapie bei Rechenschwäche (Dyskalkulie) und bei Lese-/Rechtschreibschwäche (LRS)

Lern-, Leistungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten

Lern- und Leistungsstörungen scheinen mit zunehmender Tendenz Kinder, Jugendliche und deren Familien zu beeinträchtigen, mit krisenhaften Folgen für das aktuelle Zusammenleben, aber auch mit erheblichen Konsequenzen für das Leben der späteren Erwachsenen.

Interdisziplinär

Die Hintergründe werden interdisziplinär diskutiert, vor allem im medizinischen, pädagogischen, und psychologischen Kontext und in den Sozialwissenschaften.

Sie haben ihren Niederschlag gefunden im internationalen Verzeichnis der Krankheiten (ICD), in diversen schulgesetzlichen Regelungen der Länder sowie im Kinder- und Jugendhilfegesetzt (K)HG, zuletzt geändert im Jahre 2001.

Moderne Hilfekonzepte entsprechen der Komplexität der Zusammenhänge und basieren mehr und mehr auf sogenannten ganzheitlichen uns systemischen Sichtweisen:

  • Ganzheitlich – Lern-, Leistungs- und Verhaltensprobleme eines Kindes werden in seine gesamte Entwicklung von Sensomotorik (sensorische Integration), Sprache & Psyche eingeordnet.
  • Systemisch – Lern-, Leistungs- und Verhaltensprobleme werden im Kontext seines familiären und sonstigen Umfelds eingeordnet.

Integrativ

Daraus resultieren entsprechend integrative, d.h. interdisziplinäre Unterstützungskonzepte für die Arbeit mit dem Kind/Jugendlichen, seinen familiären und jeweiligen professionellen Bezugspersonen.  

Kurzdarstellung:

Integrative Lerntherapie ist eine moderne Hilfe für Kinder & Jugendliche und deren Familien, wenn Lern-, Leistungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten diagnostiziert wurden.

1. Therapeutisches Vorgehen

Die Grundlagen der Therapie sind:

  • Orientierung an den Ressourcen (Stärken, Kräften) der Beteiligten (Kind/Jugendlicher, Eltern, Schule)
  • Unterstützung für das Kind bzw. den Jugendlichen und dessen Umfeld
  • Ausgang von einer individuellen Diagnostik zur Förderung und orientierenden Gesprächen mit den Erwachsenen
  • Je individuelle Förderung unter Einbezug entwicklungsorientierter Ansätze (Sensomotorik, Sensorische Integration, Sprache, psychische Kompetenzen)
  • Berücksichtigung psychologischer, pädagogischer und medizinischer Konzepte
  • Lösungsorientierte Beratung mit Eltern und Lehrkräften

Durch die Integration pädagogischer, therapeutischer, psychologischer und medizinischer Behandlungsmethoden steigen die Chancen für einen qualitativen Sprung in der Unterstützung von Kindern/Jugendlichen und deren Umfeld.

Wesentliche Merkmale der Integrativen Lerntherapie sind

  • das individuell abgestimmte Angebot,
  • das Zusammentreffen von Förderansätzen aus verschiedenen Disziplinen
  • und die Unterstützung für Kind und Umfeld.

1. 1 Diagnostik

Für das komplexe Erscheinungsbild und die individuell so unterschiedlichen Ausprägungen sind differenzierte Diagnose- und Unterstützungsmöglichkeiten zwingend erforderlich. Dies hat für die praktische Tätigkeit zur Folge, dass in der systemisch verstandenen Diagnostik das Kind bzw. der Jugendliche im Zusammenhang mit seiner Familie, seiner Schule/Kindergarten und seinem weiteren Umfeld beobachtet wird und das immer eine Intervention mit dem Kind/Jugendlichen und mit seiner Umgebung angestrebt wird.

Das wesentliche Ziel der integrativen Lerntherapie ist also die Herstellung einer positiven Entwicklungs- und Lernstruktur – das Kind und das familiäre und das schulische Umfeld brauchen Entlastung, Ermutigung und Erfolge.

Hierfür erarbeitet die integrative Lerntherapie gemäß einem systemischen Ansatz eingangs ein Bild der aktuellen Lernstruktur, mit einem Blick auf „Kompetenzen und Grenzen“ aller Beteiligten:

  • Frühere Belastungen (Anamnese) und aktuelle Beeinträchtigungen medizinischer, sozialer, psychischer oder pädagogischer Art werden analysiert, gegebenenfalls durch Kooperation mit den zuständigen Fachkräften.
  • Pädagogische Einschätzungen, psychologische und medizinische Befunden werden auf Zusammenhänge und Auswirkungen hin ausgewertet. Hier ist der Stellenwert gesundheitlicher Belastungen einerseits, bzw. sind die Hinweise auf seelische oder drohende seelische Behinderung andererseits herauszuarbeiten.
  • Zugleich findet gemäß den Konzepten der Ressourcenorientierung eine Fokussierung auf Kräfte und Kompetenzen aller Beteiligten statt: Welche Fähigkeiten, Kräfte und Ressourcen bringen alle Beteiligten mit?“

1. 2 Arbeiten mit den Kräften des Kindes

Effektivität

In der Förderung zeigt die ressourcenorientierte Arbeit mit Kindern und Umfeld erwiesenermaßen die größte Effektivität. Daher hat die Unterstützung mehrere Schwerpunkte: Im Mittelpunkt der Integrativen Lerntherapie steht in aller Regel die Arbeit mit dem Kind.

Humanistische Psychologie

Die Interventionen orientieren sich an Konzepten der humanistischen Psychologie. Demgemäß ist die therapeutische Situation gekennzeichnet durch emotionale Wärme, Echtheit und einfühlendes Verstehen. Ziel ist es, den Reifungs- und Wachstumsprozess zu fördern, indem emotionale Blockaden, die auf körperlicher Ebene oft ihre Entsprechung finden, abgebaut werden, und indem durch Ermöglichung von Entwicklungsschritten und Lernerfolgen die Persönlichkeit stabilisiert wird.

Diagnostik

Die Unterstützung orientiert sich an den Erkenntnissen aus der Diagnostik zur Förderung. Grundprinzip ist, an den Stärken anzusetzen und die Schwächen zu kompensieren. So werden je nach Einzelfall verschiedene Konzepte in unterschiedlicher Gewichtung einbezogen:

  • medizinisch-neurologisch begründete

z.B. Bewegungs- und Wahrnehmungsförderung, Sensorische Integration, Körpergefühl, auch visuelle oder auditive Trainings, verstärkte taktilkienästhetische Erfahrungen, z.B. zur Verbesserung von Sprech- und Schreibmotorik, Hand-Auge-Koordination;

  • und/oder psychologisch begründete

z.B. Entspannungstraining, spiel- und verhaltens-therapeutische Elemente;

  • und/oder pädagogisch-methodisch begründete

z.B. Lautgebärden, Silbenarbeit, Morphemarbeit, Orthographie, strukturierte Lernverfahren.

Hier werden förderdiagnostische Strategien ermittelt, individuell gute Wahrnehmungs- und Lernkanäle und –strategien berücksichtigt.

Die Kooperation des Kindes steuert dann sehr stark den jeweiligen therapeutischen Prozess mit. In der Regel werden Elemente aus verschiedenen Ansätzen im Gesamtkonzept integriert.

Durch die Integration pädagogischer, psychologischer und medizinischer Behandlungsmethoden steigen die Chancen für einen qualitativen Sprung in der Unterstützung von Kindern / Jugendlichen und deren Umfeld.

1. 3 Verhaltenstherapeutische Ansätze

Positive Effekte zeigen sich bei der Einbindung von Konzepten aus der kognitiven Verhaltenstherapie. Die kognitive Verhaltenstherapie verbindet Methoden auf kognitiver Ebene und Verhaltensebene. Um eine Veränderung kognitiver Muster und damit verbundener Verhaltensweisen zu erreichen, werden kognitive Verfahren und verhaltensorientierte Verfahren eingesetzt. Die Therapie ist didaktisch und direktiv, d. h. der Therapeut fungiert als Lehrer; doch soll der Klient befähigt werden, selbstständig zu denken, zu fühlen und zu handeln.

Der Einsatz von operanten Verfahren mit Hilfe eines Tokensystems hat sich in der Praxis bei Kindern mit ASS bewährt. Die Kinder bekommen ein besseres Verständnis für Strukturen, Rituale und adäquates Verhalten. Vor allem kleinere Kinder werden motiviert, zunächst die korrekte Verwendung von Spielzeug und anderen Übungsmaterialien, Spielverhalten, Imitation, sowie der Aufmerksamkeit zu üben. Im weiteren Verlauf folgen Übungen zur non-verbalen und verbalen Kommunikation sowie der sozialen Interaktion in Alltagssituationen.

Verhaltensversuche und angemessenes Verhalten werden zunächst materiell, dann sozial verstärkt. Bei manchen Kindern ist ein sehr kleinschrittiges Anleiten im Rahmen des diskreten Lernformats über Führung (prompting), Verhaltensverkettung (chaining) und Verhaltensmodifikation (shaping) mit sehr viel Wiederholung und Üben von einzelnen Schritten notwendig. Andere Kinder lernen basale Fertigkeiten von sich aus schneller (insbesondere wenn sie leichter betroffen sind und von Beginn an bessere kognitive Fertigkeiten haben). Bei diesen Kindern ist das Training von Schlüsselverhaltensweisen und das Lernen am Modell im Mittelpunkt. Deshalb sind idealerweise Eltern und Erzieher/Lehrer in die Therapie eingebunden um in derselben Art und Weise an den gleichen Therapiezielen zu arbeiten. Dies steigert die Anzahl der Übungseinheiten und führt zu einer Generalisierung der erlernten Fertigkeiten.

1.4 Mit Eltern, Lehrkräften, Erziehungskräften und anderen im Beratungsgespräch

Das Ziel gemeinsamer Beratungen ist es, Kräfte im Umfeld des Kindes zu mobilisieren, die dazu beitragen können, dem Kind eine positive Entwicklung zu ermöglichen.

Lösungsorientierte Kurzberatung

Die lösungsorientierte Kurzberatung erweist sich als sehr effektives Mittel. Mit dieser Methode ist es möglich, vordergründig unterschiedliche bis konflikthafte Zielsetzungen der Gesprächspartner/-innen miteinander zu vereinbaren. Darüber hinaus leistet sie auch einen wesentlichen Beitrag, die Möglichkeiten, Fähigkeiten und Stärken des Kindes sowie der Familie, der Erziehungskräfte und des weiteren Umfelds zu entdecken, bewusst zu machen und zu stützen. Konkret gilt es z. B. die Möglichkeiten zu besprechen, welche Unterstützung Eltern(-teile) benötigen, um ihr Kind noch besser in dieser schwierigen Phase begleiten zu können. Der Ausgang von der Frage: „Was läuft gut?“ – parallel zur ressourcenorientierten Diagnostik – hilft den Klienten, Lösungen und eigene konkrete Schritte zu entwickeln, z. B. zur Entlastung von Situationen wie Hausaufgaben und für allgemeine Be- und Erziehungsprobleme.

Umfeld

Mit Lehrkräften und anderen Begleitern des Kindes werden die Persönlichkeit fördernde Maßnahmen (Hobbys, Sportverein, unterstützende Therapien u.a.) abgesprochen sowie schulische Entlastung, Unterstützung oder auch Veränderungen der Schullaufbahn kooperativ erarbeitet.

Ziel- und Ressourcenorientiert

Die Fokussierung auf Ziele und Ressourcen ist dabei ein bewährtes und erfolgreiches Vergehen und kann im Einzelgespräch, auf Elternabenden, in Elterngesprächskreisen u.a. angewandt werden.

2. Entstehung von Lern-, Leistungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten  

 

Störungen

Wenn Eltern mit Ihren Kindergarten-/Schulkindern um Hilfe ersuchen, stellen sich aktuell sehr unterschiedliche Problemsituationen dar. Denn Entwicklungs- bzw. Lern-Leistungs-Störungen entwickeln sich individuell verschieden und haben sehr unterschiedliche Ausprägungen.

Massive Entwicklungs- bzw. Lern-, Leistungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten haben jedoch eine entscheidende Gemeinsamkeit: das hochsensible Wechselspiel kindlicher Entwicklung im Kontext seiner elterlichen und familiären Umgebung ist gravierend beeinträchtigt – dies gilt für die sensormotorische, sprachliche und psychische Entwicklung bis hin zu den Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen, eventuell auch mit Spätfolgen in Fremdsprachen.

In der Regel ergibt sich im Zusammenhang mit unterschiedlichen Belastungen ein Mischbild von Verhaltens-, Lern- und Beziehungsproblemen – mit Anforderungen an die erforderliche differenzierte Unterstützung.

2.1  Vorgeschichte

Die aktuell auftretenden, berichteten und zu beobachtenden Belastungen können eine längere Vorgeschichte haben, die sich im Sinne von sogenannten Teilleistungsstörungen oder umschriebenen Entwicklungsstörungen zeigen. Diese werden traditionell als körperliche und gesundheitliche Belastungen bewertet, insbesondere:

  • Störungen im Bewegungs- und / oder Wahrnehmungsbereich (grob-, fein- bzw. feinstmotorisch, taktil-kinästhetisch-vestibulät, auditiv, visuell),
  • Aufmerksamkeitsdefizite (hyperkinetisch, überaktiv, aufmerksamkeitsgestört usw.), sowie
  • Störungen in Sprache und Sprechen (diverse auditive Differenzierungs- und Verarbeitungsstörungen).

Folgen:

  • Diese körperlichen Bedingungen haben funktionale Beeinträchtigungen zur Folge, die für sich schon eine erhebliche Belastung bedeuten.
  • Darüber hinaus können die Belastungen Auslöser sein für psychische Auffälligkeiten wie massive Misserfolgserwartungen, erheblich gestörtes Selbstwertgefühl, gestörtes Sozialverhalten schon lange vor Schuleintritt u.a.
  • Die Erziehung und Beziehung zwischen Kind und Eltern/Familie sind erschwert, so dass Hilfe zur Erziehung bzw. Abhilfe für das Kind erforderlich sind. Wenn die Belastungen im familiären Kontext extrem wirksam werden, kann dies eine seelische Behinderung ausmachen – Erziehung unter erschwerten Bedingungen.
  • Die genannten Teilleistungen sind aber auch wesentliche Grundlagen für Schrifterwerb und Rechnen. Schwierigkeiten bei Schuleintritt bedeuten schon beeinträchtigende Voraussetzungen für das erforderliche Zusammenspiel hochdifferenzierter sensorischer, motorischer, sprachlicher und psychischer Kompetenz.

2.2 Aktuelles Erscheinungsbild

LRS, Dyskalkulie, ADS

Belastungen können auch kurzfristiger entstanden sein, wie die akute Beeinträchtigung schulischer Fertigkeiten – kurz benannt: hochgradige Lese-Rechtschreibschwäche, Rechenschwäche (ICD 10 F81.0 Lese und Rechtschreibstörungen, F81.1 Rechtschreibstörungen, F81.2 Rechenstörung). Zunehmend auch häufig parallel wir das hyperkinetische oder Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ICD-19F90) diagnostiziert.

All diese Belastungen können eine – siehe oben – Vorgeschichte haben, die vielleicht schon bekannt ist, aber bis dahin ohne gravierende Folgen blieb. Mitunter prägt sich erst im Laufe der Schulzeit eine der genannten Störungen aus.

Dies kann an der Nicht-Passung von Lernvoraussetzungen und Unterricht (Methode, Lehrperson u.a.) liegen. Verstärkt durch die erhöhten emotionalen, kognitiven und sozialen Herausforderungen gehen Belastungen aufgrund der erheblichen persönlichen, familiären und sozialen folgen schneller als vor der Schule mit einer drohenden seelischen Behinderung einher.

 

Beziehungsstörungen

Über Leistung und Verhalten des Kindes hinaus ist in aller Regel auch die Beziehung zwischen Kind und Eltern(-teil), Geschwistern, häufig auch zur Lehrkraft gestört. Diese Diskrepanz zwischen der Verhaltens-/Leistungs-Disposition des Kindes/Jugendlichen macht die Behinderung aus.

 

Seelische Behinderung

Das Ergebnis kann eine „wesentliche seelische Behinderung sein“, die die Fähigkeit zur Eingliederung im Alltag sowie in die gesellschaftlichen Institutionen Familie, Kindertagesheim, Schule u. a. „umfänglich, schwer und längerfristig“ beeinträchtigt (Münder).

 

Teufelskreis

Von diesem Ergebnis her ist es dabei eher gleichgültig, ob Belastungen mehr aus psychologischen, medizinischen, sozialen oder pädagogischen Zusammenhängen heraus erklärt und beschrieben werden – sie entwickeln eine Eigendynamik für das Familien-System mit einem die Entwicklung und das Lernen extrem behinderten Wirkungsgefüge zwischen Kind und Umfeld (Eltern, Familie, Schule).

Der „Teufelskreis Entwicklungs- und Lernstörung“ ist wirksam (lt. Breuninger).

 

Unterstützungsbedarf

Es besteht auf jeden Fall Unterstützungsbedarf für alle Beteiligten angesichts

  • Erheblicher körperlicher Beeinträchtigungen,
  • psychischer Belastungen,
  • schon eingetretener oder absehbarer unangemessener Beschulung,
  • in aller Regel die Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigender und behindernder Effekte,
  • sozial stigmatisierender Effekte.

 

Die Unterstützungen haben die vielfältigen gesundheitlichen, psychischen, familienbezogenen und gegebenenfalls auch die pädagogischen Zusammenhänge zu berücksichtigen. Dazu bedarf es einer Zusammenarbeit mit allen Beteiligten, also Kind, Eltern(-teil), Pädagogen, gegebenenfalls (para-) medizinischer, psychologischer u.a. Fachkraft. Dies erfordert eine umfassende Fach-, Förder- und Beratungskompetenz und zusätzliche Hilfe in Form von Schulbegleitung.

 

3. Traditionelle Hilfen

 

Isolierte Basis-Förderung

Entwicklungs- und Lernprobleme werden traditionell von unterschiedlichen Fachwissenschaften therapiert: Psychologie, Medizin, Pädagogik, gegebenenfalls Sonderpädagogik bieten vielfältige Unterstützung an. Gemeinsam ist ihnen, dass sie jeweils eher isolierte Schwerpunkte bearbeiten:

  • Für eine Verbesserung der sensomotorischen Voraussetzungen: Ergotherapie, Psychomotorik, Sensorische Integrationstherapie u.a.
  • Für die Verbesserung der sprachlichen Voraussetzungen: Logopädie & Sprachtherapie;
  • Für die Verbesserung von Aufmerksamkeit und Konzentration: Psychologen bieten entsprechende Trainings (Entspannung, Funktionstrainings), spiel-, verhaltenstherapeutische Maßnahmen an; von Medizinern werden mit zunehmender Tendenz pharmakologische Tabletten-Behandlungen angeboten;
  • Angesichts unzureichender positiver Auswirkung der etablierten Verfahren greifen Klienten mehr und mehr auch auf alternative Methoden zurück (Edukinestetik, diverse Hörtrainings u.a.).

Diese Konzepte sind – je nach Situation vom Kind und Familie – begrenzt wirksam, z. T. in ihrer unmittelbaren Effektivität bezüglich der häufig eher komplexen Lern-Leistungsstörung auch umstritten.

  • Sogenannte Orthographie/Lehr-/Nachhilfe-Institute bieten in der Regel einseitig (lern-) orientierte Trainingsprogramm, z. B. mit dem Computer.

 

Eindimensionale Hilfe

Dabei werden Trainingsprogramme mit oder ohne PC von den häufig kurzfristig geschulten Anwendern oder Franchise-Nehmern als einziges Verfahren benutzt. Gegenüber komplexen Lern-Leistungsstörungen reicht dies in aller Regel ebenso wenig aus wie Nachhilfe.

Ebenso einseitig können medizinisch orientierte Therapien ausfallen – seien es Medikamente, seien es rein kindzentrierte Therapieformen. Wie z. B. bei der Diskussion um ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom) sehr deutlich wird, sind Unterstützungen für alle Beteiligten – Kind und Umfeld – dringend erforderlich!

Somit stehen hilfesuchende Eltern und Kinder mit Lese- und Schreibproblemen sowie Rechenstörungen vor einem unüberschaubaren Markt. Sie suchen nicht selten nacheinander oder sogar gleichzeitig mehrere entsprechende Einrichtungen auf. 

4. Kostenträger

 

Ablauf

Das traditionelle Erscheinungsbild erfordert eine entsprechend komplexe, d. h. in aller Regel: interdisziplinär kompetente Unterstützung. Diese ist einzubetten in die derzeitigen Finanzierungssysteme für die beschriebenen Erscheinungsbilder. Damit Kostenklärungen nicht eine Therapieaufnahme unnötig und langfristig verzögern, sind die Zuständigkeiten dringend zu klären und Abstimmungen bzw. Absprachen zwischen den Anbietern und den Kostenträgern vorzunehmen.

Als Kostenträger kommen – wenn die Eltern nicht Selbstzahler sind – je nach diagnostischen Erkenntnissen des Einzelfalls Krankenkassen bzw. Jugendämter in Frage.

Allen Kostenträgern sollen diese Ausführungen eine Entscheidungshilfe geben.

 

Krankenkassen

Laut Gesetzt ist zurzeit als erstes eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse zu prüfen; dies geschieht in der Regel in Form einer Einzelfall-Prüfung. Teilleistungsstörungen, Sprachstörungen sowie darauf basierende Lese-Rechtschreibschwäche und Rechenschwäche stellen zunächst einmal körperlich begründete Behinderungen dar, insbesondere bezüglich Wahrnehmung und Bewegung – dies kann eine Finanzierung durch die Krankenkassen begründen. Bei ablehnenden Bescheiden wird auf das Jugendamt verwiesen.

 

KJHG

Erhebliche Beeinträchtigungen im Schulalter können zu seelischer Behinderung im Sinne einer sekundären Neurotisierung führen (Lempp, S. 54f). Dies bedeutet einen Anspruch auf Kostenübernahme gemäß dem Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz, KJHG, sofern schulische Förderung nachweislich nicht ausreicht.

4.1 Jugendamt – KJHG §§ 35a und 36, BSHG §§ 39 und 40

Wenn in Zusammenhang mit einer erheblichen Lese-Rechtschreib-Problematik bzw. Rechenschwäche (Dyskalkulie) eine seelische Behinderung vorliegt oder droht, ist das Jugendamt zuständig. Zu dem grundlegenden Bundesgesetz erlassen die Gemeinden Ausführungsbestimmungen; vereinzelt haben Landesjugendämter Empfehlungen entwickelt. Vorausgesetzt ist immer die Ablehnung durch die Krankenkasse. Außerdem muss in der Regel die Schule eine Erklärung abgeben, dass sie ihre Fördermöglichkeiten ausgeschöpft hat.

Die Begutachtung erfolgt je nach Behördenabsprachen durch einen Kinder- und Jugendpsychiater, Schulpsychologen oder auch einrichtungsintern.

§ 35a

(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn 1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für Ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und 2. daher ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.

(2) Die Hilfe nach dem Bedarf im Einzelfall 1. in ambulanter Form geleistet….

 

Kriterien: Dauer

  1. Ein erstes Kriterium für das Vorliegen einer seelischen Behinderung ist die Dauer der Beeinträchtigung; hier geht man von mindestens einem halben Jahr aus („Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII bei Lese- & Rechtschreibstörungen“ von Prof. Viola Harnach-Beck).
  2. Folgender Dreischritt gilt ebenfalls als Indikator für Behinderung:
  • Bei einer Legasthenie oder Dyskalkulie geht man davon aus, „dass eine Schwäche in der Wahrnehmungsverarbeitung ein Schaden ist. Äußere Bedingungen gelten eher als Verstärker oder Auslöser denn als Ursache“. (I) – Funktionelle Einschränkung –
  • Auf dieser Grundlage entwickelt sich die funktionelle Einschränkung (II) – Sozialbeeinträchtigung –, altersgemäße Strategien des Erwerbs von Lesen, Schreiben und Rechnen aufzubauen.
  • Daraus ergeben sich mehr und mehr soziale Einschränkungen (III) – Drohende Behinderung -, z. B. in Form sozialer Isolation. Die Eingliederung in die Gesellschaft als übergeordnetes Ziel des KJHG ist erheblich gefährdet: „Ein Kind, das in seiner Lese- und Schreibleistung ständig hinter den Klassenkameraden hinterherhinkt, steht immer in der Gefahr, zumindest teilweise aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden.“

 

Eine Behinderung droht bei Lese-, Rechtschreib- und Rechenproblemen, weil alle Erfahrungen zeigen, dass

  • Erstens diese „in aller Regel bis zum Ende der Hauptschulzeit, teilweise bis ins Erwachsenenalter hinein bestehen“.
  • Zweitens ist bekannt, dass um so eher eine Behinderung droht, „je mehr seelische oder kognitive Probleme beim Kind zusammenkommen. Wenn die zentrale Problematik eines Kindes von anderen Störungen begleitet wird, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Bewältigung aus eigener Kraft nicht mehr gelingt“.
  • Drittens entwickeln viele entsprechende Kinder „Störungen in ihrem Sozialverhalten und in Ihren sozialen Beziehungen … Dass bei abgelehnten, ausgegrenzten Kindern sich früher oder später eine seelische Problematik entwickeln wird, ist ziemlich gewiss“.

 

Anzeichen

Als Anzeichen für eine vorliegende oder drohende seelische Behinderung sind anzusehen: 

„Verlust des Selbstwertgefühls, Angst, Schulphobien, Leistungsverweigerung, Lernunlust, Aggressivität, Resignation, Schlaf- und Essstörungen, Kopf- und Bauchschmerzen bzw. Erbrechen vor dem Schulbesuch. Leicht folgen daraus soziale Fehlentwicklungen, Verhaltensstörungen, Erziehungsprobleme, Schulwechsel, verfrühter Schulabgang, Arbeitslosigkeit, Drogensucht, Jugendkriminalität, Nichteingliederung in die Gesellschaft und Sozialbedürftigkeit“ („Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII bei Lese- & Rechtschreibstörungen“ von Prof. Viola Harnach-Beck).

 

Begutachtung und Hilfeplan

Gutachten

Für Diagnostik und eine anschließende Begutachtung resultiert aus der Krankenkassenstellungnahme und en Kommentaren zum KJHG, dass differenzierte Informationen gebraucht werden wie:

  • „Ausprägungsgrad der LRS/Dyskalkulie“,
  • Auswirkungen auf Erleben und Verhalten des Kindes – Anzeichen für oben genannte psychische Störungen,
  • Aktuelle und frühere gesundheitliche Belastungen wie Teilleistungsstörungen in der Sensorik, Motorik, Sprache, Psyche,
  • Allgemeiner Entwicklungsstand und allgemeine Intelligenz,
  • Entwicklung der Problematik einschließlich der Geschichte erfolgreicher und erfolgloser Bewältigungsversuche,
  • Lebenssituation des Kindes,
  • Belastungen des familiären und des weiteren Umfeldes durch die Störung einschließlich der daraus resultierenden Reaktionen, u. a.: sind die sozialen Beziehungen des Kindes beeinträchtigt,
  • „Auskunft der Schule über die Möglichkeit, das Kind zu fördern“ (Empfehlung „Hilfe gemäß § 35a SGB VIII für ambulante Maßnahmen der Eingliederungshilfe bei Legasthenie und Dyskalkulie“, Hessischer Landkreistag; Rundschreiben vom 28.10.1997, S. 5)

 

Qualifikation

Im Falle entsprechender Indikation ist eine komplexe Intervention dringend erforderlich: „Diese kombinierte Lern- und Psychotherapie (die in einer Hand liegen muss) kann nur von Diplom-Psychologen, Lehrern, Sonderpädagogen, Ärzten und Sozialpädagogen erbracht werden, die durch eine entsprechende Zusatzausbildung qualifiziert haben. Einfach Nachhilfe reicht nicht aus.“ („Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII bei Lese- & Rechtschreibstörungen“ von Prof. Viola Harnach-Beck).

An anderer Stelle werden hier noch genannt: „andere pädagogische oder therapeutische Ausgangsqualifikationen in begründeten Einzelfällen, bei Vorliegen mehrjähriger Erfahrungen in der Erbringung vergleichbarer Leistungen und besonderer Befähigung in der Arbeit mit jungen Menschen.“ (Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit; Bayerischer Landtag 8/96 vom 29.01.1996, S. 5)

An dieser Stelle sind sich Krankenkassen und Jugendämter in ihrer Erwartung an die Kompetenzen einig, in der Praxis ist regional unterschiedlich geregelt, wer Diagnostik und Begutachtung durchführt.

 

Mitwirkung, Hilfeplan § 36

Im Rahmen der Finanzierung durch das Jugendamt sieht das KJHG Absprachen zwischen Beteiligten – Klienten, Kostenträgern und Therapeuten – vor.

Dies wird nach § 36 geregelt:

(1) Der Personensorgeberechtigte und das Kind oder der Jugendlich sind vor der Entscheidung über die Inanspruchnahme einer Hilfe und vor einer notwendigen Änderung von Art und Umfang der Hilfe zu beraten und auf die möglichen Folgen für die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlich hinzuweisen.

(2) Die Entscheidung über die im Einzelfall angezeigt Hilfeart soll, wenn Hilfe voraussichtlich für längere Zeit zu leisten ist, im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte getroffen werden. Als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe sollen sie zusammen mit dem Personensorgeberechtigten und dem Kind oder dem Jugendlichen einen Hilfeplan aufstellen, der Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen enthält; sie sollen regelmäßig prüfen, ob die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist.

 

Förderplan

Unter Abstimmung mit allen (I) Beteiligten – Klient, Eltern, Lehrkraft, Therapeut, eventuell anderen Beteiligten sowie einem Behördenvertreter – soll ein Förderplan erstellt werden.

Dementsprechend weisen Entwicklungsberichte nach einem angemessenen Zeitraum von mindestens einem halben Jahr bis dreiviertel Jahr Veränderungen in den verschiedenen Bereichen – Verhalten, Leistung; in der Therapie, zuhause, in der Schule – nach.

Dieses Vorgehen entspricht dem systemisch konzipierten Vorgehen, das – soweit dies möglich ist (Kooperationsbereitschaft, Einwilligung u. a.) – konzeptionell die Arbeit mit Kind und Umfeld anstrebt.

 

Vereinbarungen über die Höhe der Kosten § 77

(1) Werden Einrichtungen und Dienste der Träger der freien Jugendhilfe in Anspruch genommen, so sind Vereinbarungen über die Höhe der Kosten der Inanspruchnahme zwischen der öffentlichen und der freien Jugendhilfe anzustreben; das nähere regelt das jeweilige Landesrecht.

 

Qualifikation

Vom Kostenträger muss – neben der Indikation seitens des Klienten – die Qualifikation des/der Lerntherapeuten berücksichtigt werden. Diese haben ihre jeweilige Therapiekonzeption zu entwickeln und vorzulegen.

Mit diesen Anbietern kann eine Leistungs- und Kostenvereinbarung geschlossen werden, die eine differenzierte Auflistung der therapeutischen Möglichkeiten, der Qualifikation der Mitarbeiter sowie eine Entgeltvereinbaren enthält.

 

Die Leistungsbeschreibung sollte darstellen:

  • „Art der Einrichtung bzw. des Anbieters
  • grundsätzliches Selbstverständnis/fachliche Ausrichtung
  • die Zielgruppe einschließlich rechtlicher Grundlagen
  • pädagogisch-therapeutische Maßnahmen
  • personelle Ausstattung
  • räumliche Ausstattung
  • sonstige Rahmenbedingungen
  • Qualitätsentwicklung, insbesondere unter Berücksichtigung eines prozess- und ergebnisorientierten Controllingverfahrens“

 

Im Rahmen der im KJHG angestrebten Entwicklungen bezüglich Qualitätssicherung sollen Kriterien für anerkannte Therapeuten definiert werden. Dies ist noch nicht überall geschehen.

Auf der Basis der oben genannten akademischen und entwicklungstherapeutischen Grundberufe – wie Psychologen, Lehrern, Ärzten, Sozialpädagogen, Ergotherapeuten, Logopäden, Sprachtherapeuten und befähigten Einzelfällen – sind umfangreiche bzw. die fehlenden Bereiche ergänzende Zusatzausbildungen erforderlich.

Mehrere Empfehlungen verschiedener Landesjugendämter enthalten hierzu Anhaltspunkte.

Eine Zusatzausbildung sollte u. a. folgende Inhalte haben:

  • Regulärer Verlauf der Aneignung der Schriftsprache bzw. Rechenfertigkeiten;
  • Entwicklungspsychologie des (Klein-)Kind- und Jugendalters sowie Begleitstörungen;
  • Psychologische Testverfahren und Auswertung;
  • Umschriebene Entwicklungsstörungen und deren Diagnostik;
  • Kenntnisse und Fertigkeiten in beratender Gesprächsführung;
  • Kenntnisse über psychotherapeutische Erklärungsweisen und Behandlungsformen;
  • Kenntnisse und Fertigkeiten des speziellen Übungsvorgehens bei Störungen des Lesens und Schreibens und Rechnens;
  • Einbeziehung heilpädagogischer und logopädischer Methoden;
  • Kenntnisse und Fertigkeiten zur Erstellung eines Therapieplans;
  • Kenntnisse des BSHG und KJHG;
  • Qualitätssicherung durch Einbindung in interdisziplinäre Arbeitszusammenhänge.

Ein Nachweis über ständige Weiterbildung und Supervision sollte regelmäßig eingereicht werden.

Ihr Kontakt zu uns

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Großer Lückenweg 56, 75175 Pforzheim

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