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Warum Wutausbrüche bei Kindern ganz normal sind

 
Warum Wutausbrüche bei Kindern ganz normal sind
Warum Wutausbrüche in der Kindheit normal sind

Wutausbrüche sind kein Zeichen von Fehlverhalten, sondern ein natürlicher Bestandteil der kindlichen Entwicklung. Das kindliche Gehirn, insbesondere der Bereich, der für Emotionen zuständig ist, ist von Anfang an sehr aktiv. Die Fähigkeit zur Selbstkontrolle – also der bewusste Umgang mit Gefühlen – entwickelt sich jedoch erst im Laufe der Jahre und ist sogar erst im jungen Erwachsenenalter vollständig ausgereift.

In der Altersphase zwischen etwa eineinhalb und vier Jahren erleben Kinder eine besonders intensive Entwicklungszeit. Sie entdecken ihr eigenes Ich, haben einen starken Willen und möchten vieles selbstständig tun – stoßen dabei jedoch immer wieder an ihre körperlichen, sprachlichen oder sozialen Grenzen. Das kann frustrierend sein, besonders wenn Wünsche nicht erfüllt oder Grenzen gesetzt werden.

Typische Auslöser für Wutausbrüche sind unter anderem:

  • Ein starker Wille bei gleichzeitig begrenzten Fähigkeiten (z. B. beim Anziehen oder Greifen nach Spielzeug)
  • Der Wunsch nach Selbstbestimmung bei noch geringer Frustrationstoleranz
  • Intensive Gefühle, die noch nicht sprachlich ausgedrückt werden können

Diese Faktoren führen dazu, dass Kinder ihre Emotionen nicht „unterdrücken“, sondern unmittelbar und heftig zeigen. Wichtig ist: Ihr Verhalten ist nicht absichtlich, trotzig oder gar manipulativ – sie sind schlicht überfordert.

Ein liebevoller und unterstützender Umgang hilft Kindern, nach und nach Strategien zur Emotionsregulation zu entwickeln. Statt mit Verboten oder belehrenden Sätzen zu reagieren: „Siehst du, ich habe es dir doch gesagt“, kann das Prinzip der Montessori-Pädagogik hilfreich sein: „Hilf mir, es selbst zu tun.“

So erlebt sich das Kind als handlungsfähig, ernst genommen und begleitet – nicht kontrolliert oder unterdrückt.

Umgang mit Aggressionen bei Wutanfällen

Besonders herausfordernd wird es, wenn Wutausbrüche in aggressives Verhalten münden – das Kind schlägt, beißt, schreit oder zerstört Dinge. In diesen Situationen ist es entscheidend, dass die Bezugsperson ruhig bleibt und dem Kind Orientierung und Halt bietet.

Folgende Strategien haben sich im Alltag bewährt:

  • Ruhig und empathisch bleiben: Stellen Sie sich Ihr Kind in diesem Moment als ein emotional überfordertes Wesen vor – ähnlich hilflos wie ein weinendes Baby. Ihr Kind handelt nicht gezielt aggressiv, sondern weiß nicht, wie es mit seinen Gefühlen umgehen soll. Ein ruhiges, mitfühlendes Auftreten wirkt deeskalierend.
  • Typische Auslöser vermeiden: Sorgen Sie für ausreichend Schlaf, möglichst wenig Termindruck und kündigen Sie Übergänge im Alltag rechtzeitig an. Zum Beispiel: „Noch fünf Minuten, dann gehen wir.“ So wird das Kind nicht überrascht und kann sich innerlich auf Veränderungen einstellen.
  • Gefühle in Worte fassen: Gehen Sie auf Augenhöhe und formulieren Sie, was das Kind gerade empfindet: „Du bist wütend, weil du das Spielzeug nicht bekommst. Das verstehe ich. Es ist frustrierend, wenn etwas nicht klappt.“ So lernt das Kind, seine Emotionen zu benennen und fühlt sich verstanden.
  • Nähe oder Abstand ermöglichen: Jedes Kind ist anders: Manche lassen sich durch eine Umarmung beruhigen, andere brauchen Raum, um ihre Wut auszuleben. Signalisieren Sie: „Ich bin da, wenn du mich brauchst.“ Bleiben Sie in der Nähe und zeigen Sie Präsenz.
  • Klare, aber ruhige Grenzen setzen: Wenn das Kind andere verletzt oder Dinge zerstört, ist es wichtig, deutlich zu machen: „Du darfst wütend sein, aber nicht schlagen oder etwas kaputt machen.“ Gegebenenfalls sollten Sie Ihr Kind an einen ruhigeren Ort begleiten, bis es sich beruhigt hat.
  • Natürliche Konsequenzen anwenden: Vermeiden Sie Strafen aus dem Affekt. Wenn ein Verhalten wiederholt auftritt, können natürliche Konsequenzen folgen: „Schade, wir müssen das Spiel abbrechen und nach Hause gehen. Vielleicht klappt es beim nächsten Mal besser.“ Wichtig ist, dabei ruhig und wertschätzend zu bleiben.
  • Alternative Ventile anbieten: Zeigen Sie Ihrem Kind, wie es Wut abbauen kann: auf den Boden stampfen, in ein Kissen boxen oder einen Ball werfen. Diese Strategien lassen sich gut im Alltag üben, damit das Kind im Ernstfall darauf zurückgreifen kann.
  • Eigene Gefühle reflektieren: Auch Erwachsene geraten in stressigen Momenten an ihre Grenzen. Wenn Sie merken, dass Ihre eigene Wut zu groß wird, nehmen Sie sich eine kurze Auszeit: tief durchatmen, den Raum verlassen, ein Glas Wasser trinken. Erst, wenn Sie sich wieder reguliert haben, können Sie Ihrem Kind wirklich helfen.
  • Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen: Wutausbrüche sind zwar normal – wenn sie aber über Monate sehr häufig auftreten, von starker Gewalt begleitet werden oder Sie verunsichern, kann eine Beratung durch Fachstellen hilfreich sein. Hier erhalten Sie Unterstützung, um langfristige Strategien zu entwickeln.
Mein Kind hat hysterische Wutausbrüche

Hysterische Wutanfälle – bei denen Kinder scheinbar grundlos laut schreien, sich auf den Boden werfen oder panisch wirken – sind für Eltern besonders belastend. In solchen Momenten ist es wichtig, sich vor Augen zu führen: Ihr Kind hat nicht die Kontrolle verloren, um Sie zu manipulieren, sondern es fühlt sich gerade so, als würde alles zusammenbrechen.

Gerade im Alter von unter sieben Jahren ist die emotionale Selbstregulation noch nicht stabil. Übermüdung, Stress oder Reizüberflutung können zu besonders intensiven Ausbrüchen führen.

Tipps für den Umgang mit hysterischen Wutanfällen:

  • Atmen Sie ruhig und bewusst – auch laut, wenn nötig. Das signalisiert Entspannung.
  • Sagen Sie beruhigende Worte wie: „Ich bin da. Es ist alles gut. Du bist nicht allein.“
  • Bieten Sie Körpernähe an, wenn Ihr Kind dies zulässt.
  • Wenn es Abstand sucht, geben Sie diesen – aber bleiben Sie in Sichtweite.
  • Vermitteln Sie Sicherheit durch ruhige Präsenz.
  • Unterstützen Sie Ihr Kind ggf. dabei, die Wut körperlich abzubauen: z. B. durch Schlagen auf ein Kissen.
Unkontrollierte Wutausbrüche

Manche Kinder wechseln blitzschnell von guter Laune in einen Wutanfall – scheinbar ohne ersichtlichen Grund. Dahinter steckt meist keine Absicht, sondern eine Überforderung durch eine noch nicht ausgereifte Emotionsregulation.

In solchen Situationen gilt:

  • Nicht bestrafen, sondern begleiten. Ihr Kind kann sich in diesem Moment nicht anders verhalten.
  • Wut als Stressabbau verstehen. Oft nutzt das Kind unbewusst den Wutanfall, um Spannungen loszuwerden.
  • Den Alltag stressärmer gestalten. Weniger Reize, mehr Ruhe – das hilft Kindern, gar nicht erst so stark überfordert zu werden.
Was Wutausbrüche mit der Autonomiephase zu tun haben

Die sogenannte Trotzphase bezeichnen Fachleute heute lieber als Autonomiephase. Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren wollen ihren eigenen Willen entdecken und durchsetzen. Sie lernen, dass sie eigenständige Persönlichkeiten sind – das bringt aber auch viele Konflikte mit sich.

Häufige Ursachen von Wut in dieser Phase:

  • Die Unfähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen
  • Der starke Wunsch nach Selbstbestimmung
  • Frustration, wenn etwas nicht so läuft, wie es gewünscht ist
  • Hilfreiche Strategien für den Alltag:
  • Ankündigungen „In fünf Minuten räumen wir auf“ geben Kindern Orientierung.
  • Uhren oder Timer unterstützen das Zeitgefühl.
  • Wahlmöglichkeiten bieten, z. B. „Möchtest du die grüne oder die blaue Mütze?“, gibt Kindern das Gefühl, mitbestimmen zu dürfen.
  • Mitfühlende Begleitung „Ich sehe, dass du gern noch spielen würdest“ und konsequente Umsetzung „Wir müssen jetzt wirklich los“ geben Sicherheit und Struktur.
Wutanfälle als Zeichen von Erschöpfung

Nicht jeder Wutanfall hat eine erkennbare Ursache – manchmal ist das Kind schlicht überreizt oder übermüdet. Zu viele Termine, zu viele Eindrücke oder zu wenig Ruhe führen zu innerem Stress, der sich dann in einem Ausbruch entlädt.

Achten Sie im Alltag auf folgende Punkte:

  • Ist genug Zeit für freie Spiel- und Ruhephasen eingeplant?
  • Gibt es Momente ohne Reize, Medien oder soziale Verpflichtungen?
  • Wird das Kind ausreichend betreut – aber nicht überbetreut?
  • Manchmal ist es sinnvoller, einen ruhigen Nachmittag auf dem Spielplatz zu verbringen, statt den nächsten Kurs oder ein weiteres Playdate einzuplanen.
Wie Eltern ruhig bleiben können

Wenn Kinder wütend sind, kann das auch bei Eltern starke Emotionen hervorrufen. Das ist völlig menschlich – doch gerade in solchen Momenten ist es wichtig, die eigene Wut wahrzunehmen und bewusst zu steuern.

Hilfreiche Strategien:

  • Dreimal tief durchatmen
  • Die Fäuste ballen, kurz halten und wieder loslassen
  • In ein Kissen boxen oder einen Moment nach draußen gehen

Sollte die eigene Wut häufiger zu lautem Schreien oder aggressivem Verhalten führen, ist es wichtig, Unterstützung zu suchen. Dauerhaftes Schreien kann sich negativ auf das kindliche Verhalten auswirken und langfristig zu mehr Aggression führen. Wutausbrüche gehören zum Aufwachsen dazu – sie sind kein Zeichen von Erziehungsversagen, sondern Ausdruck einer Entwicklung, die jedes Kind durchläuft. Eltern und Fachkräfte können Kinder in diesen Momenten stärken, indem sie einfühlsam und klar bleiben.

Mit Geduld, Verständnis und passenden Strategien helfen Sie Ihrem Kind dabei, seine Emotionen besser zu verstehen und zu regulieren – und legen damit einen wichtigen Grundstein für seinen späteren Umgang mit Konflikten und Frustration.

Bildquelle: Freepik

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