Alltag mit LRS: Tipps für Eltern und Angehörige

Alltag mit LRS: Tipps für Eltern und Angehörige
Falls bei Ihrem Kind eine Lese-/Rechtschreibschwäche (LRS) diagnostiziert wurde, bringt das häufig viele Fragen und Unsicherheiten mit sich. Die positive Nachricht: Als Eltern oder Verwandte haben Sie die Möglichkeit, viel dazu beizutragen, dass Ihr Kind erfolgreich ist und sein Selbstbewusstsein stärkt. Eine zielgerichtete, geduldige und einfühlsame Unterstützung im Alltag ist hierbei besonders entscheidend – egal wie stark die LRS ausgeprägt ist. Die nachfolgenden Abschnitte bieten Ihnen hilfreiche Tipps und Ratschläge für die Unterstützung im Alltag.
Ruhe bewahren: Entspannt bleiben als Schlüssel zum Erfolg
Der erste Schritt nach der Diagnose besteht darin, ruhig zu bleiben. Auch wenn der Schulalltag anfangs herausfordernd erscheint – übermäßige Hektik hilft selten weiter. Eine strukturierte und individuelle Herangehensweise ist stattdessen notwendig.
3 Gründe, warum es wichtig ist, gelassen zu bleiben:
- LRS hat nichts mit Intelligenz zu tun, sondern ist eine Teilleistungsstörung.
- Zu viel Druck oder Eifer können das Selbstbewusstsein des Kindes verringern.
- Ihr Kind benötigt eine sichere Umgebung – ohne ständigen Druck, gute Leistungen erbringen zu müssen.
Tipp: Erkennen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind, dass Fortschritte Zeit in Anspruch nehmen. Es zählt nicht, wie schnell es geht, sondern die Entwicklung in kleinen Schritten.
Geduld zeigen und den Lernprozess nachvollziehen
Kinder mit LRS benötigen länger, um Texte zu lesen, Wörter zu verstehen oder Sätze zu bilden. Geduld ist daher eine der wichtigsten Eigenschaften, die Eltern mitbringen sollten – sowohl im Alltag als auch bei den Hausaufgaben.
So bringen Sie Geduld im Alltag auf:
- Planen Sie bewusst ausreichend Zeit für Aufgaben ein.
- Üben Sie in kleinen, gut strukturierten Einheiten.
- Machen Sie regelmäßige Pausen.
- Seien Sie verständnisvoll, wenn Frustration oder Ermüdung auftritt.
Beispiel: Anstatt eine halbe Stunde am Stück zu lesen, üben Sie zehn Minuten – dafür aber täglich. So bleibt das Interesse erhalten und der Lernprozess fühlt sich weniger belastend an.
Motivieren, loben und unterstützen
Kinder mit LRS erleben häufiger Rückschläge als andere. Deshalb ist es besonders wichtig, dass sie zu Hause einen geschützten Raum finden, in dem Erfolge wahrgenommen und gewürdigt werden.
Wie Sie Motivation und Selbstwert stärken können:
- Loben Sie kleine Fortschritte aufrichtig und konkret: Zum Beispiel: „Du hast heute fünf Wörter fehlerfrei geschrieben – das ist super!“
- Zeigen Sie Anerkennung für die Bemühungen, nicht nur für das Resultat.
- Helfen Sie Ihrem Kind, eigene Fortschritte wahrzunehmen.
Wichtig: Fehler können angesprochen werden, jedoch ohne Vorwürfe. Vermitteln Sie, dass Fehler normal sind und zum Lernen gehören.
Lesen fördern – aber mit Freude und ohne Druck
Für viele Kinder mit LRS kann das Lesen anstrengend sein. Trotzdem ist es ein wesentlicher Bestandteil des Lernprozesses. Mit etwas Kreativität können Sie das Lesen in eine angenehme Gewohnheit verwandeln.
Praktische Tipps zur Leseförderung:
- Lesen Sie regelmäßig zusammen – auch wenn nur Sie vorlesen.
- Wechseln Sie sich beim Vorlesen ab – lesen Sie ein Satz, danach liest Ihr Kind einen Satz vor usw.
- Wählen Sie ansprechende, altersgerechte Bücher, die reich an Illustrationen sind und somit auch Abwechslung in Form optischer Reize bieten.
- Hörbücher können eine wertvolle Ergänzung zur traditionellen Lesemethode sein und eignen sich darüber hinaus gut zum Einschlafen.
- Unterbrechen Sie Ihr Kind möglichst nicht beim Lesen – geben Sie ihm die Möglichkeit, den Text selbst zu erfassen.
Tipp: Vorlesen fördert die Bindung. Machen Sie das gemeinsame Lesen zu einem Ritual, beispielsweise abends vor dem Schlafengehen.
Sinnvolle Gestaltung des Lernumfelds: Struktur vermittelt Sicherheit
Ein gut strukturierter Lernort unterstützt Kinder mit LRS in ihrer Konzentration und ihr Wohlbefinden. Dabei geht es nicht um Perfektion, sondern um Klarheit.
Eigenschaften eines unterstützenden Arbeitsplatzes:
- Ordnung: Der Tisch sollte von ablenkenden Objekten befreit sein.
- Beleuchtung: Helles Licht fördert die Fähigkeit zur Konzentration.
- Material: Halten Sie alle erforderlichen Materialien in Reichweite.
- Ablenkungen reduzieren: Kein Handy, kein Fernseher oder andere elektronischen Geräte in der Nähe des Arbeitsplatzes.
Tipp: Lassen Sie Ihr Kind den Lernplatz mitgestalten – das steigert die Motivation und Identifikation.
Allgemeine Lerntipps für Kinder mit LRS
Von klaren Strukturen, kurzen Lerneinheiten und spielerischen Elementen profitieren Kinder mit LRS. Achten Sie darauf, dass der Alltag nicht nur aus Übungen und Wiederholungen besteht.
Diese Hinweise sind hilfreich:
- Regelmäßige Lernzeiten festlegen: Nach dem Lernen sollte gezielt Freizeit für Erholung eingeplant werden.
- Zucker und zuckerhaltige Lebensmittel reduzieren: Eine ausgewogene Ernährung hilft, Konzentrationsschwankungen zu vermeiden.
- Pausen einplanen: Mehrere kurze Pausen sind oft effektiver als eine lange.
- Ruheniveau anpassen: Bei Unruhe sind kleine Achtsamkeitsübungen hilfreich, bei Müdigkeit kann ein Lernspiel anregen.
- Bewegung integrieren: Sport und körperliche Aktivitäten unterstützen die Selbstwahrnehmung und fördern die Konzentration.
- Spielerisches Lernen: Lernspiele oder Apps können motivierend sein, insbesondere bei Lese- und Schreibübungen.
- Nutzung von PC und Technik: Digitale Medien können helfen, die Aufmerksamkeit zu halten – achte jedoch auf sinnvolle Inhalte.
- Selbstvertrauen stärken: Musizieren, Basteln und Malen fördern das Selbstwertgefühl durch kreative Hobbys.
- Sitzplatz in der Klasse: Ihr Kind sollte – wenn möglich – einen Platz nicht zu weit hinten wählen – es erleichtert das Verständnis, wenn man nah am Lehrer sitzt.
- Verbesserung der Heftführung: Farbige Markierungen, ordentlich geführte Hefte und klare Strukturen erleichtern das Lernen.
- Merksatz: Lernen macht Freude durch kleine Erfolge – schaffen Sie gemeinsam eine Umgebung, in der dies möglich ist.
- Verständnis schaffen: LRS erklären und Stigmatisierung abbauen
Erklären Sie Ihrem Kind in altersgerechter Weise, was eine Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) ist – und was sie nicht ist. Dies ist wichtig, um Scham und Unsicherheiten zu vermeiden.
Was Kinder mit LRS wissen sollten:
- LRS ist keine Krankheit, sondern eine besondere Lernherausforderung.
- Es betrifft nur das Lesen und Schreiben, nicht die allgemeine Intelligenz.
- Viele bekannte Menschen haben trotz (oder gerade aufgrund) von LRS Großes erreicht.
Beispiel: Erzählen Sie von berühmten Persönlichkeiten wie Charles Darwin oder John F. Kennedy, die trotz ihrer Lese- oder Rechtschreibschwierigkeiten Außergewöhnliches geleistet haben.
Nachteilsausgleich in Anspruch nehmen und mit der Schule zusammenarbeiten
Kinder mit LRS haben Anspruch auf Unterstützung im schulischen Umfeld. Dazu gehört auch der Nachteilsausgleich, der mehr Zeit in Prüfungen oder den Verzicht auf die Notenvergabe für Rechtschreibung ermöglichen kann.
So gehen Sie vor:
- Stellen Sie einen schriftlichen Antrag auf Nachteilsausgleich bei der Schule.
- Lassen Sie sich von der Klassenlehrerin oder dem Schulpsychologen unterstützen.
- Stellen Sie sicher, dass Sie regelmäßig mit den Lehrern kommunizieren.
- Erkundigen Sie sich nach den Förderprogrammen, die die Schule anbietet oder nehmen Sie unsere lerntherapeutischen Angebote in Anspruch.
Tipp: Zeigen Sie von Anfang an, dass Sie mit der Schule an einem Strang arbeiten möchten – das fördert Vertrauen und Akzeptanz.
Professionelle Unterstützung: Lerntherapie als individuelle Hilfe
In einigen Fällen ist die Hilfe von Eltern und Schule nicht ausreichend. Hier kann eine Lerntherapie helfen, die speziell auf die Bedürfnisse Ihres Kindes zugeschnitten ist.
Merkmale einer geeigneten Lerntherapie:
- Die Förderung erfolgt systematisch, regelmäßig und an den Stärken Ihres Kindes orientiert.
- Es wird nicht nur an den schulischen Inhalten gearbeitet, sondern auch am Selbstbewusstsein.
- Die Therapeutin oder der Therapeut arbeitet eng mit der Familie zusammen.
- Die Therapie ist keine „Heilbehandlung“, sondern eine professionelle Lernbegleitung.
Wichtig: Lerntherapie ist oft auch über das Jugendamt finanzierbar – erkundigen Sie sich nach §35a SGB VIII.
LRS ist kein Makel – sondern eine Herausforderung mit vielen Perspektiven
Abschließend sei betont: Eine Lese-Rechtschreibschwäche bedeutet nicht das Ende schulischer oder beruflicher Erfolgschancen. Im Gegenteil – viele Kinder mit LRS entwickeln besondere Stärken in anderen Bereichen. Was sie brauchen, sind Menschen, die an sie glauben, sie begleiten und ermutigen.
Ihr Kind braucht vor allem:
- Verständnis statt Kritik
- Geduld statt Druck
- Förderung statt Überforderung
- Vertrauen statt Zweifel
Erinnern Sie sich: Auch Ihr Kind kann mit LRS lesen, schreiben und lernen – auf seine ganz eigene, wertvolle Weise. Die Lese-/Rechtschreibschwäche Ihres Kindes ist nur ein Teil seiner Persönlichkeit – aber kein bestimmendes Merkmal. Mit Ihrer Unterstützung, einem verständnisvollen Umfeld und gezielter Förderung kann Ihr Kind wachsen, lernen und seinen eigenen Weg finden – mit Zuversicht, Stärke und Stolz.
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