So wird man Reittherapeut

Einfühlsame Begleitung, fachliche Tiefe und das besondere Band zwischen Mensch und Tier – wer sich für eine Ausbildung zur Reittherapeutin oder zur Fachkraft für Tiergestützte Therapie und Pädagogik entscheidet, verbindet therapeutisches Wirken mit der Kraft der Tiere. Die Ausbildung zum Reittherapeut oder Reittherapeutin verlangt sowohl pädagogische als auch reiterliche Vorerfahrung – und bietet gleichzeitig einen erfüllenden Berufsweg mit zahlreichen Einsatzmöglichkeiten.
Reittherapie – Eine Therapieform mit Pferd und Herz
Die Reittherapie ist ein eigenständiger Bereich innerhalb der pferdegestützten Interventionen. Sie basiert auf einem humanistischen Menschenbild und einer klientenzentrierten Grundhaltung. Das Pferd wird in dieser Therapieform nicht als bloßes Hilfsmittel eingesetzt, sondern als aktiver Beziehungspartner und zentraler Motivationsträger. Die therapeutische Begegnung mit dem Pferd soll dem Menschen helfen, eigene Ressourcen zu entdecken, Selbstheilungskräfte zu aktivieren und persönliche Entwicklungsschritte zu vollziehen – unabhängig von Alter oder Einschränkungen.
Besonders Menschen mit psychischen oder körperlichen Beeinträchtigungen profitieren von der heilenden Wirkung dieser besonderen Mensch-Tier-Beziehung. Das Zusammenspiel aus Bewegung, Körpererfahrung, emotionaler Resonanz und Beziehungsarbeit schafft einen wertvollen Rahmen, in dem Entwicklung möglich wird.
Zielgruppen und Einsatzbereiche – Für wen Reittherapie wirksam ist
Die Reittherapie richtet sich an Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit vielfältigen psychischen Erkrankungen oder Entwicklungsstörungen. Die Ausbildung bereitet auf die therapeutische Arbeit mit den folgenden Personengruppen vor:
- Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung
- Personen mit intellektuellen Beeinträchtigungen
- Kinder und Jugendliche mit Verhaltensauffälligkeiten
- Betroffene mit Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS)
- Menschen mit Traumaerfahrungen oder Traumafolgestörungen
- Klientinnen und Klienten mit Ängsten und Phobien
- Personen mit Essstörungen, Depressionen oder Psychosen
Durch die gezielte Förderung emotionaler, sozialer und motorischer Fähigkeiten bietet die Reittherapie einen stabilen und zugleich dynamischen Rahmen, um Entwicklungs- und Heilungsprozesse zu begleiten.
Struktur und Inhalte der Weiterbildung
Die Weiterbildung zur Reittherapeutin oder Fachkraft für Tiergestützte Therapie und Pädagogik ist berufsbegleitend konzipiert. Sie gliedert sich in mehrere Module, die sich in der Regel auf Präsenzphasen, Selbststudium und Pflichtpraktikum verteilen.
Die zentrale Gliederung der Weiterbildung umfasst dabei meist folgende Punkte:
- Einführungsseminar
- Selbsterfahrung am Pferd
- Methodenseminare
- Therapieseminare
- Ausbildung von Therapiepferden
- Praktikum (muss in der Regel extern organisiert werden)
- Selbststudium
- Longierausbildung (ebenfalls über anerkannte Lehrgänge zu absolvieren)
- Erste-Hilfe-Kurs oder Auffrischungskurs
- Abschlussarbeit und Prüfung
- Teilnahme an einer Fallsupervision (je nach Anbieter in unterschiedlicher Ausprägung)
Diese Module ermöglichen eine umfassende theoretische und praktische Qualifikation. Besonders das Selbsterfahrungselement dient dazu, das eigene Handeln im therapeutischen Kontext zu reflektieren und sich der Wirkung des Pferdes bewusst zu werden. Wichtig: Die Präsenzmodule unterscheiden sich je nach Anbieter leicht. Eine direkte Rücksprache mit dem jeweiligen Institut ist daher sinnvoll.
Berufliche und persönliche Voraussetzungen
Die Zulassung zur Weiterbildung ist klar geregelt. Sie richtet sich vorrangig an Fachkräfte mit einer abgeschlossenen Ausbildung oder einem Studium in sozialen, therapeutischen oder pädagogischen Berufsfeldern. Dazu gehören unter anderem:
- Sozialpädagoginnen, Pädagoginnen, Erzieher*innen
- Lehrerinnen und Heilerziehungspflegerinnen
- Ergotherapeutinnen, Physiotherapeutinnen, Logopäd*innen
- Psychologinnen, Psychotherapeutinnen, Heilpraktiker*innen für Psychotherapie
- Fachpflegekräfte aus dem Bereich Psychiatrie
Wer über keine abgeschlossene Berufsausbildung in diesen Bereichen verfügt, jedoch über langjährige berufspraktische Erfahrung sowie entsprechende Nachweise verfügt, kann eine individuelle Eignungsprüfung beantragen. Die fachliche Vorbildung stellt sicher, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Komplexität der therapeutischen Arbeit mit Menschen verstehen und verantwortungsvoll begleiten können. Denn die Reittherapie ersetzt keine psychologische oder heilpädagogische Ausbildung, sondern setzt genau dort an.
Reiterliche Voraussetzungen und Nachweise
Neben der beruflichen Eignung sind fundierte Kenntnisse im Umgang mit Pferden Voraussetzung. Teilnehmende, die sich als Reittherapeut*in ausbilden lassen möchten, sollten:
- über langjährige Erfahrung in Pferdehaltung und -pflege verfügen,
- sicher in den drei Grundgangarten (Schritt, Trab, Galopp) auf dem Reitplatz und im Gelände reiten können,
- ein eigenes oder regelmäßiges Umgangspferd haben (besonders für die Pferdeausbildung im Rahmen der Weiterbildung).
Folgende Nachweise können zur Zertifizierung eingereicht werden:
- Basispass Pferdekunde und ein Reitabzeichen (z. B. Geländereiter VFD, Bronze IPZV, RA 5 FN)
- Qualifikationen des Berufsverbandes PI e. V.
- Freizeitreitabzeichen SFRV Stufe 5 oder Brevet FNCH/SVPS (Schweiz)
- Vergleichbare Qualifikationen anderer anerkannter Verbände
Zudem ist zur selbstständigen Berufsausübung in Deutschland ein Sachkundenachweis zur Pferdehaltung notwendig. Dieser wird inhaltlich im Rahmen der Weiterbildung vorbereitet, muss jedoch zusätzlich beim zuständigen Veterinäramt beantragt werden.
Fördermöglichkeiten und Finanzierung
Die Weiterbildung ist gemäß § 4 Nr. 21 a) bb) UStG von der Umsatzsteuer befreit. Dennoch entstehen natürlich Kosten für Unterrichtsmaterial, Unterkunft, Verpflegung und das Praktikum. Fördermöglichkeiten bestehen insbesondere für folgende Zielgruppen:
- Personen mit geringem Einkommen
- Berufsrückkehrer*innen
- Selbstständige mit Qualifizierungsbedarf
- Beschäftigte in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)
Anerkannte Förderinstrumente sind:
- Bildungsprämie (bundesweit)
- Bildungsscheck (NRW) über das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Es empfiehlt sich, frühzeitig ein Beratungsgespräch mit dem Weiterbildungsanbieter zu führen, um individuelle Fördermöglichkeiten zu klären.
Teilnahmebedingungen und Zertifizierung
Die beruflichen Voraussetzungen müssen bereits bei Anmeldung vollständig erfüllt sein. Die reiterlichen Nachweise dürfen bis zum Zeitpunkt der Zertifizierung nachgereicht werden.
Für die abschließende Zertifizierung sind folgende Leistungen zu erbringen:
- Absolvierung aller Präsenzmodule
- Abschlussarbeit
- Praktikumsnachweis
- Teilnahme an einer zweitägigen Fallsupervision (Präsenz oder online)
- Bestehen einer E-Learning-Abschlussprüfung oder ähnliche organisierten Prüfung.
Das Praktikum muss eigenständig organisiert werden. Die entstehenden Kosten (z. B. für Anfahrt, Unterkunft, Verpflegung) sind von den Teilnehmer*innen selbst zu tragen. Weitere Informationen zu Praktikumsstellen erhalten Sie nach der Anmeldung über das jeweilige Institut.
Berufliche Perspektiven laut Arbeitsagentur
Laut der Bundesagentur für Arbeit (siehe BERUFENET) handelt es sich bei Reittherapeuten und Fachkräften für tiergestützte Therapie um Tätigkeiten, die in den Bereich der sozialen, therapeutischen und pädagogischen Zusatzqualifikationen fallen. Die Nachfrage nach solchen spezialisierten Fachkräften ist insbesondere in folgenden Bereichen gestiegen:
- Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe
- Förderschulen und heilpädagogische Tagesstätten
- Psychosomatische Kliniken und Rehabilitationszentren
- Praxisgemeinschaften für Ergotherapie, Logopädie und Psychotherapie
- Ambulante und stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe
- Selbstständige Tätigkeit in eigener Praxis
Die Arbeitsagentur betont, dass die Zusatzqualifikation in tiergestützter Therapie die beruflichen Chancen für Menschen mit einem sozialen Grundberuf deutlich erhöht. Sie ist allerdings keine geschützte Berufsbezeichnung – die Qualität der Ausbildung und die fachliche Anerkennung durch Verbände sind daher besonders wichtig.
Reittherapie – Ein Berufsfeld mit Sinn und Zukunft
Die Ausbildung zur Reittherapeutin oder Fachkraft für Tiergestützte Therapie und Pädagogik bietet eine sinnstiftende und vielseitige Tätigkeit mit großem gesellschaftlichem Bedarf. Wer bereits aus einem sozialen, pädagogischen oder therapeutischen Beruf kommt und eine tiefe Verbindung zum Pferd hat, findet hier ein ideales Arbeitsfeld, um Menschen in Entwicklungs- oder Krisensituationen ganzheitlich zu begleiten.
Die Verbindung von Fachwissen, persönlicher Reifung und dem besonderen Wesen des Pferdes macht diese Weiterbildung zu einem einzigartigen Weg – für Ihre eigene Entwicklung und die Ihrer späteren Klientinnen und Klienten.
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