Aufgaben einer Schulbegleitung bei ASS und ADHS

Kinder und Jugendliche mit einer Autismus-Spektrum-Störung, die zusätzlich von einer ADHS betroffen sind, stehen im schulischen Alltag oft vor besonders komplexen Herausforderungen. Eine Schulbegleitung kann dabei eine bedeutende Stütze sein, um diesen jungen Menschen die Teilnahme am gesellschaftlichen und schulischen Leben zu ermöglichen. Dabei richtet sich die Unterstützung stets nach dem individuellen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen und sollte gemeinsam mit allen Beteiligten – Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Therapeutinnen und Therapeuten – abgestimmt und regelmäßig angepasst werden.
Die nachfolgenden Ausführungen geben einen Überblick über verschiedene Aufgabenbereiche und Ansätze, die eine Schulbegleitung im Rahmen der Hilfen nach § 35a SGB VIII übernehmen kann – insbesondere unter Berücksichtigung der typischen Ausprägungen von ADHS innerhalb des Autismus-Spektrums.
Allgemeine Hilfen zur Bewältigung des schulischen Alltags
Kinder mit ASS und ADHS erleben alltägliche Abläufe häufig als schwer vorhersehbar und überfordernd. Die Kombination aus erhöhter Reizempfindlichkeit, Schwierigkeiten in der Selbstregulation sowie der häufig eingeschränkten Fähigkeit zur Alltagsstrukturierung erfordert eine gezielte Begleitung in schulischen Settings.
Die Schulbegleitung kann in folgenden Bereichen unterstützen:
- Orientierungshilfen im Anforderungsalltag: Der Schulalltag mit seinen wechselnden Anforderungen stellt für viele betroffene Kinder eine große Herausforderung dar. Eine konstante Bezugsperson, die hilft, die täglichen Abläufe zu strukturieren und zu verstehen, kann entscheidend zur Entlastung beitragen.
- Unterstützung bei wechselnden Strukturen: Beispielsweise das Verlassen des gewohnten Klassenraums oder das Sitzen in wechselnden Gruppenkonstellationen können bei Kindern mit ASS und ADHS zu Unruhe führen. Eine Schulbegleitung hilft dabei, diese Veränderungen vorhersehbar zu machen und Übergänge sanft zu gestalten.
- Vorbereitung des Arbeitsplatzes und der Materialien: Die Schulbegleitung gibt Impulse, erinnert an nötige Materialien und hilft, den Arbeitsplatz so vorzubereiten, dass ein strukturierter Start in die Lernsituation möglich wird.
- Absprachen mit den Lehrkräften: Um eine einheitliche Herangehensweise zu gewährleisten, unterstützt die Schulbegleitung bei individuellen Vereinbarungen mit dem pädagogischen Team. Dazu gehören zum Beispiel alternative Arbeitsblätter, besondere Rückzugsmöglichkeiten oder klar definierte Aufgabenstellungen.
Hilfen im Unterricht: Selbstorganisation und Lernstruktur
Im Unterricht stehen Kinder mit ASS und ADHS häufig vor der Herausforderung, sich zu konzentrieren, Aufgaben zu verstehen und zielgerichtet zu arbeiten. Hier leistet die Schulbegleitung nicht nur organisatorische, sondern auch strukturierende Unterstützung.
Zu den zentralen Unterstützungsleistungen gehören:
- Hilfe bei der eigenen Organisation: Dazu zählt unter anderem die Begleitung beim Planen und Einteilen der Arbeitszeit, beim Erfassen des Lernziels sowie beim Einhalten der Reihenfolge von Arbeitsschritten.
- Strukturierung von Aufgaben: Viele Aufgabenstellungen sind für betroffene Kinder zu komplex oder mehrdeutig. Die Schulbegleitung hilft, die Anforderungen in kleinere, nachvollziehbare Schritte zu gliedern.
- Ordnung der Materialien: Die richtige Zuordnung und Nutzung von Heften, Büchern und digitalen Arbeitsmitteln fällt häufig schwer. Eine begleitende Strukturierung unterstützt das Kind dabei, nicht den Überblick zu verlieren.
- Hilfen beim Aufgabenverständnis und Zeitmanagement: Die Schulbegleitung kann nach Rücksprache mit der Lehrkraft Aufgaben erklären, in einfacherer Sprache wiederholen oder mit visuellen Hilfsmitteln untermauern.
- Training von Arbeitstechniken: Das gezielte Einüben von Lernstrategien, das Nutzen von Checklisten oder das Anlegen von Lernplänen kann mit Unterstützung der Schulbegleitung erfolgen.
- Aufmerksamkeitslenkung: Gerade im Zeitverlauf des Unterrichts ist es für Kinder mit ADHS schwer, die Konzentration aufrechtzuerhalten. Durch vorher abgesprochene Signale oder kurze Aktivierungsphasen kann die Aufmerksamkeit gezielt zurückgeführt werden.
- Strukturierung von Hausaufgaben: Auch die Nachbereitung des Unterrichts – insbesondere die Hausaufgaben – muss oft intensiv begleitet werden. Eine Schulbegleitung kann Aufgaben strukturieren, erläutern und mit dem Kind Schritt für Schritt besprechen.
Stressregulation als zentrale Aufgabe
Kinder mit ASS und ADHS erleben schulische Anforderungen oftmals als dauerhaft belastend. Schnell treten Überforderung, emotionale Erschöpfung oder Überreizungen auf. Deshalb ist ein zentrales Element der Schulbegleitung die Unterstützung beim Stressmanagement und der Reizregulation.
Hierzu zählen unter anderem:
- Beobachtung und frühzeitiges Erkennen von Stressreaktionen: Die Schulbegleitung ist dafür sensibilisiert, Anzeichen kognitiver Erschöpfung oder innerer Anspannung frühzeitig zu erkennen und angemessen zu reagieren.
- Reizreduktion im Unterricht: Durch gezielte Pausen, klar strukturierte Aufgaben und das Einführen von Entlastungsphasen wird einer Reizüberflutung vorgebeugt.
- Organisation von Rückzugsmöglichkeiten: In Absprache mit dem pädagogischen Team werden Orte definiert, an denen sich das Kind bei Bedarf für kurze Zeit zurückziehen kann, ohne stigmatisiert zu werden.
- Individuelle Stressregulationstechniken: Schulbegleitungen unterstützen bei der Anwendung vorher eingeübter Strategien – zum Beispiel Atemübungen, Bewegungsimpulse oder das Nutzen von sensorischen Hilfsmitteln wie Knetbällen oder Gewichtstieren.
Hilfen in der sozialen Orientierung – ein Dolmetscher für soziale Interaktion
Ein oft unterschätzter Aspekt bei Kindern mit ASS und ADHS ist die Unsicherheit im sozialen Miteinander. Viele Kinder tun sich schwer, nonverbale Signale zu deuten, soziale Spielregeln zu erkennen oder angemessen auf Konflikte zu reagieren. Die Schulbegleitung nimmt hier eine besonders vermittelnde Rolle ein.
Wichtige Aufgaben in diesem Bereich sind:
- Beziehungsaufbau zum Kind: Grundlage jeglicher Unterstützung ist eine vertrauensvolle Beziehung. Nur wenn das Kind sich verstanden fühlt, kann es von den Hilfen profitieren.
- Unterstützung bei sozialer Reizverarbeitung: In Momenten, in denen das Kind überfordert ist – etwa durch Lautstärke, viele Menschen oder schnelle Wechsel – hilft die Schulbegleitung dabei, Reize zu filtern und Rückzugsmöglichkeiten aufzuzeigen.
- Erkennen von Überlastungsreaktionen: Die Schulbegleitung kennt die individuellen Zeichen eines bevorstehenden Overloads. Dazu gehören etwa stereotype Bewegungen (Stimming), innere Unruhe oder Rückzug. Je nach Kind kann sich dies in aggressivem Verhalten (Meltdown) oder vollständigem Rückzug (Shutdown) äußern.
- Anleitung zum Umgang mit Stresskompensation: Gemeinsam mit dem Kind werden geeignete Stimming-Methoden oder andere Stressbewältigungsstrategien eingeübt und in Alltagssituationen angewendet.
- Erklärung sozialer Regeln und Missverständnisse: Die Schulbegleitung hilft, nonverbale Signale und soziale Symbole zu entschlüsseln, und trägt so zur sozialen Integration bei.
- Förderung des Austauschs mit Mitschülern: Im Rahmen ihrer Tätigkeit vermittelt die Schulbegleitung zwischen dem Kind und seiner Umwelt, fördert Gespräche und hilft, Missverständnisse aufzuklären.
- Konfliktvermittlung und Aufklärung: Missverständnisse, die durch das besondere Verhalten des Kindes entstehen, werden gemeinsam mit den Beteiligten besprochen. Dabei werden andere Kinder wie auch Lehrkräfte über die Besonderheiten und Bedürfnisse des Kindes informiert – stets mit größtem Respekt vor der Würde und Persönlichkeit des Kindes.
- Transfer zwischen Schule und Elternhaus: Die Schulbegleitung kann auch als Brücke zwischen schulischem und familiärem Umfeld dienen, indem sie Beobachtungen teilt, Entwicklungen dokumentiert und im Dialog mit den Eltern steht.
Ein weites Feld – Aufgaben einer Schulbegleitung bei ASS und ADHS
Die Schulbegleitung für Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störung und ADHS ist weit mehr als eine praktische Hilfe im Alltag. Sie ist Beziehungspartnerin, Vermittlerin, Strukturgeberin und Schutzfaktor zugleich. Eltern und Angehörige können durch eine qualifizierte Schulbegleitung entlastet werden und gewinnen zugleich Einblick in die Entwicklungsmöglichkeiten ihres Kindes im schulischen Kontext. Entscheidend ist dabei stets, dass die Hilfen individuell abgestimmt, kontinuierlich überprüft und flexibel angepasst werden. Nur so kann die Schulbegleitung dazu beitragen, echte Teilhabe und positive Entwicklung im Sinne des Kindes zu ermöglichen.
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